Die 4 Grundsäulen von Worldbuilding – Figuren


Wenn ich von Figuren rede, dann meine ich nicht Protagonisten, Antagonisten, oder Nebencharaktere, die alle in deiner Geschichte eine wichtige funktionale Rolle spielen. Diese Art von Charakteren gehören für mich nicht groß dem Worldbuilding an, da sie viel zentraler und dadurch so viel Ausarbeitung wie vermutlich deine Welt selbst brauchen. Figuren kannst du dir mehr wie Statisten in einem Film vorstellen – sie haben eine Hintergrundfunktion und sind hauptsächlich da, um Realismus und Atmosphäre darzubieten.

Entsprechend werde ich in diesem Artikel der Grundsäulen Reihe, solche Statisten als „Figuren“ bezeichnen und alle anderen Personen, wie eben Protagonisten, als „Charaktere“. Figuren müssen übrigens nicht nur Menschen sein. Ein Tier oder anderes Lebewesen kann genauso gut die Funktion einer Figur übernehmen.



Welchen Nutzen haben Figuren?

Das Aufwands-Leistungs-Verhältnis von Figuren ist köstlich. Du brauchst nicht viel Zeit für sie aufwenden, um einen guten Effekt in deiner Geschichte zu haben. Die Frage stellt sich dann vielleicht, wieso man sie dann überhaupt kreieren sollte, worauf ich dir eine ganze Liste als Antwort geben könnte. Und genau diese Liste bekommst du jetzt auch von mir!

Also, wieso sind Figuren so großartig?

  • Sie schaffen Atmosphäre

Wenig schafft eine Atmosphäre so gut, wie Figuren. Das ganze Setting verändert sich, je nachdem ob während einer Szene im Hintergrund ein Marktschreier Obst verkaufen will, oder eine diplomatische Gesandtschaft rumläuft.

  • Sie setzen Szenen in Blick

Heißt also, sie schaffen Distanz und Nähe zu dem, was in deiner Geschichte gerade am Passieren ist. Dies geschieht entsprechend, wie nahe Figuren an eben dieser sind. Sind viele Figuren präsent oder in der Nähe des Protagonisten, sind intime Momente gerade eher nicht Thema deiner Szene. Es wäre einfach zu viel los und jemand könnte zuhören.

  • Sie geben einen Überblick über das Umfeld

Im Worldbuilding befinden Figuren sich immer an einen bestimmten Platz, abhängig von dem Ort und der Handlung, wo deine Geschichte gerade stattfindet. Einen Bettler wirst du eher weniger vor den Toren eines Schlosses finden, genauso wenig wie ein Aristokrat in Abwassersystemen rumklettern würde.

  • Sie erzählen eine Geschichte

Dieser Punkt arbeitet eng mit dem obendrüber zusammen. Bekanntlich sagt man ja, dass Orte Geschichten erzählen. Und Figuren, die sich dort aufhalten ebenso. Vielleicht ist ein Bettler nicht nur ein Bettler, sondern ist bei genauerem Hinsehen erkennbar, dass er ein Flüchtling ist, der sonst nirgendwo hin kann. Das würde darauf hinweisen, dass irgendwo in deiner Geschichte etwas Katastrophenähnliches vor sich geht.

  • Sie zeigen Charakterqualitäten

Charaktere haben Meinungen über ihr Umfeld und interagieren hin und wieder auch damit. Gibt Lana beispielsweise dem armen Flüchtling etwas zu essen, zeigt das, dass sie gutherzig ist.

  • Sie schaffen Lebendigkeit und Realismus

Jetzt kommt das, was ich schon ganz am Anfang angesprochen habe. Indem du Figuren benutzt, finden Handlungspunkte nicht einfach nur an irgendeinem Ort statt, sondern geben dem Ganzen eine Wertigkeit. Stell dir mal einen Flughafen ohne hunderten an Leuten vor. Wenn du nicht gerade Horror am Schreiben bist, scheint das ein wenig falsch, nicht?

  • Sie können Handlungsrelevant sein

Flieht dein Protagonist vor Verfolgern? Dann könnte er in einer Menschenmasse untertauchen und anonym werden. Figuren können aber auch viel direkter integriert sein. Sie könnte zum Beispiel einen wichtigen Nebencharakter umgebracht haben. Hierbei wäre dann nicht relevant wer es getan hat, sondern nur welche Schwierigkeiten diese plötzliche Wendung mit sich bringt.



Wie erstellt man Figuren

Figuren im Worldbuilding sind oberflächlich erstellt, heißt also sie haben keine Hintergrundgeschichte. Sie sind rein zweckbedingt da und müssen entsprechend nur wenige Anforderungen erfüllen – im Prinzip wie ein Werkzeug. Das Einzige was du für eine Figur brauchst ist (in absteigender Wichtigkeit):

  1. Deren Designation (beschreibt ihren Zweck und ihre Daseinsberechtigung),
  2. Verhaltensweisen (Umsetzung und Darstellung des Zwecks),
  3. Aussehen (detaillierte Darstellung des Zwecks, sowie Hintergrundinformationen),
  4. und Namen (in der Regel optional, für Worldbuilding Details oder geschichtliche Hintergründe)

Nehmen wir als Beispiel hierfür wieder den Bettler/Flüchtling. Seine Designation ist ebendiese; Bettler/Flüchtling. Er ist existiert, um zu zeigen wie heruntergekommen der Ort ist, in dem er sich aufhält, und dass es in der Welt Konflikt gibt. Seine Verhaltensweisen sind vermutlich eher zurückgezogen – kauern, frieren, und um Geld bitten.

Geben wir ihm für sein Aussehen alte abgenutzte Kleidung, die aus einem anderen Land stammt, und einen zerrissenen Umhang, um darzustellen, dass er kein Einheimischer ist. Und zuletzt könnten wir ihm einen Namen geben, wenn dieser etwa im Hintergrund gerufen werden sollte. Sein Name sollte entsprechend ausländisch sein und seine Stellung als Flüchtling zu festigen.

Das würde im Prinzip schon reichen, um eine Figur im Worldbuilding zu integrieren. Je nachdem, wie sehr du deine Figur dann in deiner Geschichte erwähnen oder miteinbringen möchtest, kannst du das Ganze noch detaillierter machen, oder sie mit anderen Figuren interagieren lassen.

Übrigens! Nicht jede Szene braucht Figuren. Bei manchen ist es gar nicht sinnvoll welche mit einzubauen. Und bei anderen kann es tatsächlich eindrucksvoller sein mal einen leeren Hintergrund zu haben.



Wie setzt man Figuren im Worldbuilding am besten ein?

Abgesehen von ihrer theoretisch simplen Kreation, unterliegen Figuren Überfunktionen, an die sie gebunden sind:

Handlungsabhängigkeit
Ortabhängigkeit
Zeitabhängigkeit
Situationsabhängig

Hierbei lassen sich Figuren beim Worldbuilding meist klar und deutlich einer dieser Funktionen zuordnen; Überschneidungen passieren eher selten und gelten wenn dann nur untergeordnet.

Handlungsabhängige Figuren können bildlich in deiner Geschichte auftreten, müssen das aber nicht. Um herauszufinden, ob du diese Art von Figuren brauchst, gehst du am besten Schritt für Schritt deine Handlungspunkte durch und überlegst, welche Figuren dort im Hintergrund platziert werden können, um eine größere Wirkung in der Szene zu schaffen, oder aber um die Handlung direkt voranzutreiben.

Ortsabhängige Figuren treten an Orten auf, die von Natur aus nicht leer sein sollten. Städte und deren Unterorte fallen automatisch in diese Kategorie. Es wäre seltsam in einem Geschäft oder auf einer Straße keine Leute rumlaufen zu sehen. Da du ja am besten schon die meisten Orte grob geplant haben solltest, wäre der nächste Schritt also diese ebenfalls Stück für Stück durchzugehen und mit Figuren zu bestücken.

Nachts findest du andere Leute auf Straßen als Tagsüber – vielleicht ist dann sogar niemand unterwegs. In diesem Fall hast du zeitabhängige Figuren. Diese sind im Übrigen nicht nur von Tages- und Uhrzeiten beeinflusst. Tatsächlich kann sich solch eine Figur auch in der Vergangenheit oder Zukunft befinden. Das wäre möglich, indem etwas beschrieben wird, das schon geschehen ist und eben jene Figur war daran beteiligt. Oder aber dein Charakter weiß, dass in zwölf Stunden eine bestimmte Figur einen Coffee-Shop betritt, um einen Cappuccino zu kaufen.

Situationsabhängige Figuren sind nicht im Voraus planbar, ich finde aber, dass sie trotzdem erwähnt werden sollten. Diese Sorte von Figuren wird während des Schreibens entwickelt, da du dann am besten merkst, ob du etwas für eine bestimmte Situation brauchst. Oft ist diese Methode der Figurenentwicklung am einfachsten und praktischsten, allerdings fehlt dir hier leicht der Gesamtüberblick und die Figur kann überstürzt kreiert sein. Details können schneller fehlen und subjektive Einflüsse leichter auf sie einwirken.


Figuren sind also von vielen Dingen abhängig, dafür aber leicht und unkompliziert zu erschaffen. Das wichtigste an Figuren ist wohl, dass sie einen Zweck brauchen. Der muss dabei gar nicht groß kompliziert oder Erzählungsbedingt sein; abstrakte Dinge, wie etwas veranschaulichen zu wollen, reichen auch schon.

Wie detailliert du eine Figur machen willst, ist (wie immer) von dir abhängig. –   Und wer weiß, wenn du irgendwann mal einen Charakter brauchst, der eine Rolle zu füllen hat, hast du vielleicht sogar schon eine Figur, die da ganz gut reinpasst. Das wäre wie eine Beförderung.

Und zuletzt geben dir Worldbuilding Figuren in deiner Geschichte die perfekte Gelegenheit für eine introspektive Sequenz, in der dein Charakter, Erzähler, der Leser einfach mal nachdenken kann.   

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