Charaktere und Worldbuilding


Oft, wenn wir an Worldbuilding denken, überlegen wir hauptsächlich, welche Sachen man braucht, um die Handlung zu unterstützen. Und wenn du dir meine Grundlagen-Artikel angesehen hast, ist dir vielleicht auch schon aufgefallen, dass wir das Grundgerüst anhand der Handlung aufbauen.

Allerdings wird ein großer Teil deiner Welt nicht von der Handlung beeinflusst, sondern von den Charakteren. Das liegt daran, dass man ja in der Regel keine Geschichte über eine einzelne Sache erzählt, sondern von einem Charakter, der eben solche Sachen erlebt.

Und das Ganze kann und sollte sich auch in deinem Worldbuilding wiederfinden – vor allem in den Details deiner Welt.

Ganz richtig gehört: weniger ist mehr und die Details kommen beim Schreiben greifen beim charakter-beeinflusstem Worldbuilding nicht. Personen sind unglaublich komplex und genau diese Komplexität lässt sich im Worldbuilding besonders gut durch Einzelheiten und Kleinigkeiten darstellen.

Allerdings ist das nicht die einzige Art und Weise, wie Charaktere dein Worldbuilding beeinflussen können. Und genau was die Mächte deiner Protagonisten im Worldbuilding beeinflussen, erfährst du hier.


Charaktere und Worldbuilding - Wäscherin

Einflüsse von Charakteren auf Worldbuilding

Die Hintergrundgeschichte macht es aus

Die Hintergrundgeschichte deiner Charaktere geben einen Einblick in die Grundpfeiler ihrer Persönlichkeit, Motivationen, und Ängste, die sie überwinden müssen.

Und wie alles, das sich in einer Geschichte wiederfindet, wirkt sich das auch auf Worldbuilding aus. Und zwar in einer Fülle an Einzelheiten.

Dein Charakter kommt aus einem Dorf? Dann erzählt er vermutlich hin und wieder, was er dort erlebt hat. Vielleicht ist er in einer Viehzucht aufgewachsen und dort waren die Kühe seine besten Freunde? Die ganze Geschichte konstituiert, dass es Landwirtschaft und Viehzucht gibt, die du entsprechend kreieren musst – auch wenn das eigentlich nicht in deine High-Fantasy Story reinpassen sollte.

Vor allem Gegenstände und Gewohnheiten, die jemand immer mit sich trägt, übertragen sich gut ins Worldbuilding. Wenn dein Charakter ein Tagebuch schreibt, kannst du bestimmen, wie es aussieht, was drinsteht, woher es kommt, etc. etc. Und all diese Details, die ein einzelnes Tagebuch ausmachen, geben wiederum deinem Charakter mehr Persönlichkeit. Ein schöner Kreislauf, nicht wahr?

Denn sobald du etwas Einzelnes durch in deine Welt einbaust, musst du eine Hintergrundgeschichte für diesen Gegenstand erschaffen, damit er sich ins Worldbuilding integrieren kann. Eine Geschichte, die hinter einer Geschichte versteckt ist und somit die Welt noch lebendiger macht.


Charaktere und Worldbuilding - japanische Figuren

Die Macht der Charaktereigenschaften

Nicht nur Herkunftsort und materielle Sachen, deiner Charaktere beeinflussen die Welt. Wo die Vergangenheit deiner Figuren Lebendigkeit fördern, schaffen Worldbuilding-Elemente, die durch die Persönlichkeit von Personen entstehen dem Ganzen eine emotionale Tiefe.

Wenn dein Charakter also eine ängstliche Person ist, wird er wohl kaum in das dunkle, verlassene Haus am Ende gehen, von dem man behauptet das es spukt. Solange das also nicht unglaublich Story-relevant ist, oder den Charakter eine Mutprobe zur Entwicklung bescheren soll, brauchst du es gar nicht erst zu kreieren, auch wenn du es eigentlich unbedingt in deiner Welt haben willst.

Genauso mit kleinen Details. In einer Gasse liegt eine kleine Puppe, mit der du zeigen willst, dass Kinder in einer gefährlichen Gegend spielen und ihnen dort leicht etwas zustoßen kann. Wenn du aber feststellst, dass dein Protagonist den ultimativen Tunnelblick hat und nur auf die helle Straße vor sich guckt, wird er dieses kleine Detail vermutlich nicht sehen.

Und dann musst du dir überlegen, wie du die gleiche Nachricht auf eine andere Weise rüberbringen kannst. Eine kleine Puppe auf einer hellen, breiten Straße hat immerhin einen völlig anderen Effekt als in einer engen, dunklen Gasse.

Genau das Gegenteil kann aber auch der Fall sein. Dein Charakter liebt vielleicht Frösche, also wird seine Aufmerksamkeit automatisch erregt, wenn auch nur im Augenwinkel einen rumhüpfen sieht. Du könntest also ein paar Frösche bei der verlorenen Puppe platzieren und prompt wird dein Charakter auf beide Elemente aufmerksam.  


Charaktere und Worldbuilding - Kutscher

Einflüsse von Worldbuilding auf Charaktere

Reaktionen und Veränderungen

Deine Charaktere sind ein kompliziertes Geflecht von Emotionen. Also solltest du diese auch darstellen. Und eine sehr einfache Möglichkeit das zu tun ist (du hast es vermutlich schon erraten) Worldbuilding.

Personen reagieren auf alles was sie wahrnehmen, wie ist natürlich von den Charakteren abhängig. Um zu verdeutlichen was ich meine, habe ich hier mal zwei Szenarios.

  1. Lana und Killian gehen das erste Mal in die Hauptstadt. Das erste was Killian auffällt ist das riesige weiße Schloss, das über alle Gebäude türmt. Lana hingegen ist von den vollen Straßen und bunten Markständen vereinnahmt.
  2. Lana und Killian gehen das erste Mal in die Hauptstadt. Das erste was den beiden auffällt ist das gigantische Schloss. Killian starrt es mit großen Augen und einem „Wow!“ an. Lana hingegen macht eine spöttische Bemerkung und guckt dann gelangweilt weg.

Die Szenarien sind gar nicht so unterschiedlich, zeigen aber völlig verschiedene Aspekte der Charaktere.

Für Killian könne wir aus 1 und 2 schließen, dass er beeindruckt und leicht beeinflussbar durch Imposanz ist.

Bei Lana zeigt Szenario 1, dass sie mehr Wert auf den Alltagstrubel legt, und eher energetisch ist. Szenario 2 hingegen zeigt, dass sie nicht viel von Adeligen und deren Schaustücken hält, und entsprechend wenig beeinflussbar ist.

Du siehst also, dass eine einfache Reaktion auf ein Worldbuilding-Element Charaktereigenschaften zum Vorschein bringen, ohne dass sie direkt im Text erwähnt werden müssen. Außerdem zieht dieser kurze Moment einen wunderbaren Vergleich zwischen zwei Charakteren und deren Persönlichkeiten.

Damit ist das ganze aber noch nicht abgehakt. Stellen wir uns vor Killian beobachtet, wie eine Gruppe Adelige etwas moralisch Verwerfliches haben, was seine Meinung von der oberen Klasse ändert. Wenn er das nächste Mal in die Stadt geht und sein Blick automatisch wieder zum Schloss wandert, kannst du beschreiben, dass er wie Lana damals reagiert.

Worldbuilding kann also auch genutzt werden, um die Veränderungen in einem Charakter sichtbar zu machen.

Das einzig wichtige ist, dass du diese Reaktionen in deiner Geschichte nicht zu häufig benutzt, da sie sonst ihren Effekt verlieren und deinem Leser nicht mehr so gut in Erinnerung bleiben.



Vergangenheit vs. Gegenwart vs. Zukunft

Zu guter Letzt ist Worldbuilding auch in der Lage jeden Zeitraum, den dein Charakter je erleben wird, im gleichen Moment darzustellen.

Das klingt nun vielleicht ein bisschen kompliziert, also lass es mich erklären:

Dein Charakter war zu Beginn der Reise ein einfacher Farmer. Im Verlauf der Geschichte wird er zum Ritter und am Ende wird er zum König gekrönt.

Nun befindet sich dein Leser gerade an der Stelle, wo deine Figur ein Ritter geworden ist – er weiß also noch nichts über deine Königs-Pläne.

Der Leser liest ein paar Seiten weiter und plötzlich sieht dein Ritter ein Straßenschild mit drei Schildern. Auf dem Untersten steht „Bauernmarkt“, auf dem Mittleren „Kasernen“ und auf dem Obersten „Schloss“.

Wenn dein Leser nun aufmerksam ist, wird er durch diesen einzelnen Gegenstand als Hinweis sehen, wo die Geschichte hingehen soll.

Nun beinhaltet meine Erklärung zwar mehr Handlungs- als Charaktereigenschaften, aber natürlich kannst du das ganze auch auf Persönlichkeitsmerkmale deiner Figuren beziehen.

Und natürlich beruht diese Gegenüberstellung auf den Veränderungen von Charakteren. Ich fand aber trotzdem, dass das Thema seinen eigenen Titel verdient hat – insbesondere, weil es so komplex ist.


Deine Charaktere können also deine Welt beeinflussen, indem ihre Hintergrundgeschichte dich dazu anregt mehr Geschichte für deine Welt zu schreiben.

Und gleichzeitig kann Worldbuilding deine Charaktere in der Handlung unterstützen und deinen Leser mehr intellektuell involvieren.

Am wichtigsten ist jedoch, dass du deine Welt so aufbaust, dass deine Charaktere mit ihr interagieren können. Und das gleiche gilt natürlich auch andersherum.

Veränderung ist der größte Teil einer Geschichte – sowohl theoretisch als auch geschrieben. Dementsprechend sollten sich alle Aspekte, die eine Geschichte aufweisen, einander auch beeinflussen, um Wandel hervorzubringen.

1 Kommentar zu „Charaktere und Worldbuilding“

  1. Pingback: Worldbuilding Eindrücke, die deine Geschichte lebendiger machen

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